Wie im Beitrag Psychotricks der Werbepsychologie angekündigt, widme ich mich im Laufe der nächsten Wochen gemeinsam mit meinem Team der Thematik. Wir betrachten dabei Auswirkungen und Möglichkeiten, die die Neurowissenschaft in Bezug auf die Werbepsychologie mit sich bringt.
Die Tierwelt fasziniert uns Menschen seit Anbeginn der Zeit. Nicht selten machen wir uns die natürlichen Eigenarten mancher Tiere zu Nutzen, um im Marketing Kund*innen anzulocken. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Umwandlungs-Eigenschaft des Chamäleons. Was Sie im Marketing von den Schuppenkriechtieren lernen und wie Sie zum Verwandlungskünstler werden, erfahren Sie in diesem Beitrag!
Der Chamäleon-Effekt
Als Teenager hatte ich eine Freundin, die sich mit ihrem Freund zwei Chamäleons zugelegt hat. Ich weiß noch, wie lange die beiden an einem artgerechten Terrarium gearbeitet haben, um ihren zwei Lieblingen ein wunderbares Leben zu bereiten. Stundenlang saßen wir dann vor der Glasscheibe und haben uns die Nasen plattgedrückt. Highlight war für mich, wenn wir die beiden Racker sanft vom Terrarium auf unsere Hände hoben und auf unseren Armen spazieren ließen. Ich fand die Tiere faszinierend und liebte es ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich ihrer Umgebung anpassten.
Chamäleons sind wahre Künstler. Sie sind bekannt für ihre großen, beweglichen Augen, ihre lange Zunge und die wohl faszinierendste Eigenschaft: die Fähigkeit, die Farbe ihres Hautgewands zu verändern. Um zu verstehen, wie der Effekt im Marketing genutzt werden kann, lohnt es sich, das Verhalten der Tierchen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Warum Chamäleons die Farbe ändern
Viele Menschen glauben, dass Chamäleons die Farbe nur ändern, um sich zu tarnen. Das stimmt nicht ganz. Zudem haben nur einige Arten die Fähigkeit ihre Farbe zu ändern. Die Farbveränderungen treten außerdem nicht immer entsprechend der in der Umgebung herrschenden Farbtöne auf. Die meisten Farbveränderungen sind tatsächlich auf physiologische Umstände zurückzuführen. So ändern Chamäleons beispielsweise ihre Farbe bei Temperaturveränderungen, oder je nach Tageszeit. Auch psychologische Faktoren können ausschlaggebend für eine Farbveränderung sein.
Meine Freundin wusste immer genau wann es an der Zeit war, die beiden Reptilien wieder auf ihren Lieblingsast zu hieven. Sie änderten ihre Farbe nach Stimmungslage und wurden, wenn sie sich nicht mehr wohl fühlten, dunkelgrün. Chamäleons kommunizieren – beispielsweise Stimmungslagen – auch mit Gegnern oder potenziellen Partnern via Körperfarbe.
Auch wir Menschen kommunizieren Stimmungen. Doch wir tun noch viel mehr als das. Wir nutzen den Chamäleon-Effekt meist unbewusst im Alltag.
Der menschliche Chamäleon-Effekt
Beim Chamäleon-Effekt, den wir Menschen gelegentlich im Alltag nutzen, geht es um die Art, wie wir Kommunizieren. Wir passen uns den Gegebenheiten an – ändern statt unserer Farbe unsere Art zu sprechen, unser Vokabular, unsere Haltung, unsere Mimik und oder unsere Gestik. Wir agieren beim Chamäleon-Effekt, als wären wir ein Spiegel für unsere Mitmenschen. Wir imitieren die Emotionen anderer, bzw. die Emotionen, die wir bewusst oder unbewusst wahrnehmen.
Dabei sind wir uns in der Situation gar nicht bewusst, dass wir Chamäleon spielen. Die natürliche Reaktion auf das Lachen eines anderen Menschen ist selbst zu lachen. Wenn unser Gegenüber im Gespräch die Arme verschränkt, kommt es nicht selten dazu, dass wir diese Haltung übernehmen. Doch warum?
Die Funktion des Effekts
Manche Menschen sind auf Anhieb sympathisch. Unser menschliches Bedürfnis nach Harmonie und Symmetrie verleitet uns unterbewusst dazu, unser Gegenüber nachzuahmen und die Sympathie zu erhaschen.
Bereits Charles Darwin vermutete, dass der Chamäleon-Effekt aus evolutionärer Sicht für uns Menschen eine wichtige Funktion erfüllt. Wir werden beeinflusst von den Signalen, die andere Menschen senden durch Mimik und Gestik und passen uns ihnen an. Diese Anpassung erhöht unser persönliches Wohlbefinden und hilft uns dabei, uns leichter in Gruppen zu integrieren. Ohne uns dessen wirklich bewusst zu werden, vermitteln uns die Signale, wie wir zu handeln haben.
Hierfür verantwortlich sind unsere Spiegelneuronen. Sie sind ein Resonanzsystem im Gehirn, das Gefühle und Stimmungen anderer Menschen in uns zum “klingen” bringt. Spiegelneuronen arbeiten unbewusst und helfen uns dabei, Situationen zu verstehen und unser Gegenüber nachzuahmen – also zu spiegeln.
Menschen sind von Geburt an dazu “programmiert”, über die Spiegelneuronen das Gesehene zu wiederholen und dadurch zu lernen. So lernen wir Krabbeln, Laufen, Sprechen und Emotionen wahrzunehmen.
So wie die Stimmungen unserer Mitmenschen auf uns einprasseln, können auch wir “Vibes” aussenden. Sind wir eher positiv gestimmt, so wird diese Stimmung von unseren Mitmenschen wahrgenommen und möglicherweise reflektiert.
Ich bin wie ein Chamäleon, beeinflusst von allem, was vor sich geht.
John Lennon
Drei Verhaltensweisen
Unser Bedürfnis nach Harmonie und Symmetrie verleitet uns unbewusst dazu, Menschen zu imitieren. Diese Art der Verhaltensmimikry erfüllt jedoch eine wichtige zwischenmenschliche Aufgabe und wirkt wie eine Art Klebstoff.
Die Psychologie unterscheidet in drei Verhaltensweisen:
Matching – “to match”: (An-) Passen
Wir analysieren die Körpersprache unseres Gegenübers und reflektieren sie durch unsere eigene. Jedoch nur bis zu etwa 50 Prozent.
Pacing – “pacing”: Tempo
Wir synchronisieren zunehmend neben der Körpersprache auch Gestik, Mimik und Sprache unseres Gegenübers.
Rapport – Wechselbeziehung | Verbindung
Die Symmetrie ist nahezu vollständig: Beide Partner*innen nehmen durch ihr eigenes Verhalten Bezug aufeinander.
Pacing Chamäleon
Vor allem beim Pacing kann man sich – auch bewusst – auf eine respektvolle Art und Weise seinem Gegenüber anpassen. Und das auf diversen Bereichen der Kommunikation:
- Haltung: Dazu gehören Körperhaltung, Bewegung, Gestik, Mimik, usw.
- Tonalität: Dazu gehören Stimmhöhe, Sprechlautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Satzmelodie, usw.
- Nebengeräusche: Dazu gehören Atemfrequenz, Atemtiefe, Husten, Räuspern, Gähnen, usw.
- Sprache: Dazu gehören Tonfall, Lieblingsworte, sprachliche Besonderheiten, Fachbegriffe, usw.
- Optik: Dazu gehören Kleidungsstil, Gadgets, Zugehörigkeitssymbole, usw.
- Auftreten: Dazu gehören Fröhlichkeit, Nachdenklichkeit, Steifheit oder Lockerheit, usw.
Personen, die sehr darauf achten, ihrem Gegenüber ähnlich zu sein und darin schon Übung haben, essen oder trinken sogar im gleichen Rhythmus, übernehmen für die Dauer des Gesprächs Werte und Glaubenssätze des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin und pacen möglicherweise sogar deren Lidschlag.
Dieses synchrone Verhalten bildet einen Spiegel, an dem man ablesen kann, wie harmonisch eine Beziehung oder ein Gespräch tatsächlich ist. Ich für meinen Teil finde es faszinierend, wenn Menschen unbewusst aufeinander abgestimmt sind und die oben genannten Punkte automatisch abgeglichen werden. Ob und wie der Chamäleon-Effekt angewendet werden kann, ohne dabei auffällig oder gekünstelt zu wirken, ist für mich persönlich fraglich. Widmen wir uns also im nächsten Abschnitt den Gefahren und Grenzen der Spiegeltechnik.
Gefahren und Grenzen der Spiegeltechnik
Ein Team von Psychologen um Piotr Winkielman untersuchte, wie das Kopieren der Körpersprache auf das Gegenüber wirkt. Sie stellten fest, dass dies die Reputation beschädigen kann – doch warum? “Der Erfolg des Imitierens hängt stark davon ab, welche Person wir zu welchem Zeitpunkt aus welchen Gründen nachahmen!”, so Winkielman. In einem Versuch lies Winkielman Kandidat*innen zu einem Bewerbungsgespräch von einem Personaler interviewen. Mal war der Personaler freundlich, mal unfreundlich. Die Kandidat*innen des Personalers imitierten indes dessen Körpersprache. Eine Gruppe an Student*innen sollten die Interviews mitverfolgen. Jene Bewerber*innen, die den unfreundlichen Personaler imitierten, wirkten auf die beobachtenden Student*innen als weniger kompetent und wirkten ähnlich auf den Personaler. Denn: Wenn Sie einen Unsympanthen – dem das womöglich nicht einmal bewusst ist – imitieren, werden Sie ihm nicht zwangsläufig sympathisch, auch wenn sie sich körpersprachlich verbinden.
Zudem könnte es sein, dass Ihr Gegenüber bemerkt, dass Sie ihn oder sie absichtlich und bewusst imitieren. Und das kommt gar nicht gut an…
Der Chamäleon-Effekt im Marketing
Face to Face
Ist es sinnvoll und Ihnen möglich, Ihre Kund*innen beispielsweise zu einem Erstgespräch zu empfangen, so kann das Nutzen des Chamäleon-Effekts dazu beitragen, dass Sie dem Kund*innen sympathisch wirken. Sympathischen Menschen kauft man eher etwas ab – sei es die Meinung, ein Produkt, oder eine Dienstleistung. Aber bitte seien Sie vorsichtig! Denn wie bereits beschrieben, kann das Nutzen des Effekts auch ganz schön in die Hose gehen…
Online Marketing
Das Chamäleon ist in der Lage, seine Hautfarbe innerhalb kürzester Zeit zu verändern. Wir haben bereits angesprochen, dass diese Farbänderung weniger der Tarnung dient, sondern ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation darstellt.
Da vor allem heute online überzeugt werden muss, geht es darum, die Nutzer*innen und möglichen Kund*innen online anzusprechen und von sich zu überzeugen. Machen Sie es wie das Chamäleon und kommunizieren Sie so, dass sich Ihre Zielgruppe angesprochen fühlt. Sie haben nicht nur eine Zielgruppe, sondern arbeiten beispielsweise sowohl B2B als auch B2C? Moderne Technik kann Ihnen dabei helfen, flexible Inhalte an die User*innen angepasst auszuspielen. So wird eine Suchintention beispielsweise je nach demografischen oder psychographischen Merkmalen anders interpretiert und ein dementsprechender Inhalt wird ausgespielt.
Native Advertising als Chamäleon der Werbeformen
Bunte Anzeigenbanner werden heute in den meisten Fällen nur noch als Belästigung wahrgenommen. Sie generieren kaum noch Klicks und sind eher finanzielle Belastung. Dieses Dilemma wurde von vielen Marketern gesehen und so mogelte sich unbemerkt ein neuer Werbetrend an die Spitze: Native Advertising.
Native Advertising verdrängt geschickt die nicht mehr zielgruppengerechten Vorgänger – er kaschiert den Übergang zwischen Werbung und redaktionellem Beitrag. Dieser Beitrag fügt sich optisch und thematisch clever in das Umfeld einer Website ein und die Grenzen zum redaktionellen Beitrag sind fast fließend – Werbung und Content verschmelzen förmlich. Damit sich der Rezipient nicht getäuscht fühlt – wie es sich für den Chamäleon-Effekt gehört – werden Native Ads mit Kennzeichnungen versehen.
Werden Sie das Wissen um den Chamäleon-Effekt Nutzen?
Wir ermutigen Sie, das Wissen um den Chamäleon-Effekt einzusetzen und durch unsere Tipps möglicherweise neue Wunschkunden zu gewinnen. Dennoch ist uns wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass nur jene genutzten Effekte Ziele erreichen, die für Ihr Unternehmen sinnvoll sind. Gerne begleiten wir Sie auf der Reise! Haben Sie Fragen zum Chamäleon-Effekt, zu einem anderen Thema, oder zu unseren Angeboten? Dann freuen wir uns über Ihre Nachricht.
Bis zum nächsten Beitrag!
Inspirationsquellen:
Sabine Kaufmann – Spiegelneuronen
Gedankenwelt (Autor*in unbekannt) – Hast du schon vom Chamäleon-Effekt gehört
Karrierebibel (Autor*in unbekannt) – Chamäleon-Effekt: Die Macht der Spiegeltechnik
Netclusive (Autor*in unbekannt) – Native Advertising: das Chamäleon unter den Werbeformen