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    Hedonistische Tretmühle: Das Rennen ums Glück

    „Der ist aber auch nie zufrieden!“ oder „Reicht man ihr den kleinen Finger, will sie die ganze Hand“ – wer kennt es nicht. Doch worüber wir uns bei anderen beschweren, ist (leider) ein zutiefst menschliches Phänomen. Es sorgt dafür, dass wir alle ein ständiges Bedürfnis nach mehr verspüren. Es handelt sich um die hedonistische Tretmühle.

    Auch Kund:innen sind natürlich keine Ausnahme. Und obwohl die hedonistische Tretmühle häufig als Treiber für Kaufkraft und Kapitalismus genannt wird, kann sie ein Hindernis bei der langfristigen Kundenbindung darstellen. Warum? Weil sie dafür sorgt, dass das Gras auf der anderen Seite bzw. das Angebot anderer Unternehmen immer grüner erscheint.

    In diesem Beitrag erfährst du, was es mit der hedonistischen Tretmühle auf sich hat und wie nicht nur du dem Hamsterrad entgehen, sondern auch mehr langfristige Kundenzufriedenheit und -bindung schaffen kannst.

    Hedonistische Tretmühle kurz definiert

    Vielleicht hast du erst vor 3 Jahren deine absolute „Traumwohnung“ gekauft, und jetzt kannst du kaum erwarten, in ein zweistöckiges Haus zu ziehen. Oder du dachtest, sobald du den Mazda hast, bist du auf ewig glücklich. Aber jetzt hat der Nachbar einen Audi, und der sieht verdammt gut aus…

    Es gibt unzählige Beispiele, wie die hedonistische Tretmühle ihre Wirkung entfaltet. Weil dieses psychische Hamsterrad einen so großen und deutlichen Einfluss auf uns alle hat, leuchtet das Konzept schnell ein.

    Die hedonistische Tretmühle bezeichnet einen Gewöhnungseffekt. Erfolge, Gewinne und andere positive Erlebnisse machen uns demnach nur für kurze Zeit glücklich. Danach gewöhnen wir uns an den Zustand als den neuen Status Quo und es muss abermals höher, weiter und schneller gehen.

    Die Tatsache, dass wir uns so schnell an neue, positive Dinge im Leben gewöhnen, nennt man in der Wissenschaft auch „hedonistische Adaption“. Obwohl die hedonistische Adaption wirklich schon nervig genug ist, gewöhnen wir uns außerdem viel schneller an positive als an negative Gefühle. In anderen Worten: Positive Ereignisse machen uns relativ kurz glücklich, negative Erlebnisse machen uns relativ lange unglücklich.

    Bereits in den 70er Jahren wurde das Hamsterrad a.k.a. die hedonistische Tretmühle von den Psychologen Brickmann und Campbell erwähnt. Doch erst Michael Eysenck nahm das Konzept des Hamsterrads a.k.a. der hedonistischen Tretmühle in den 90er Jahren genauer unter die Lupe. Seitdem wurde das Phänomen in zahllosen Studien und Experimenten bestätigt.

    Wie funktioniert die Hedonistische Tretmühle?

    Ok, wir rennen also alle im Hamsterrad neuen, stärkeren Emotionen hinterher. Aber welche Mechanismen stecken genau dahinter? Laut Entscheidungsforscher und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann spielt der Faktor Aufmerksamkeit eine tragende Rolle.

    Den ganzen Tag lang passiert so viel um uns herum, dass wir natürlich nicht jedem Ereignis und jedem Umstand unsere volle Aufmerksamkeit schenken können.

    Was gewinnt beim Kampf um unsere Aufmerksamkeit? Ganz einfach: Alles was anders und neu ist.

    Und logisch: Wo unsere Aufmerksamkeit ist, sind auch mehr Emotionen.

    Die hedonistische Tretmühle beschreibt nun die Tatsache, dass wir uns mit der Zeit an die positive Neuigkeit gewöhnen, weil wieder andere Dinge passieren, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Unser Glückslevel sinkt und das positive Ereignis wird zur Selbstverständlichkeit.

    Beispiel

    Stell dir vor, du hast eine Reinigungskraft, die dein Zuhause regelmäßig sauber hält. Wäsche waschen und bügeln waren nicht Teil des Deals, aber das war in Ordnung. Als die Reinigungskraft in Rente geht und du eine neue Firma beauftragst, bieten sie zum gleichen Preis auch Wäscheservice an. Du denkst: „Genial, das ist ein toller Deal!“

    Aber natürlich hält das Glücksgefühl nicht ewig an. Schnell kehrt der Alltag ein, und neue Ereignisse fordern deine Aufmerksamkeit. Ob es Projekte auf der Arbeit sind, steigende Benzinpreise oder ein verschütteter Kaffee – mit der Zeit wird das zusätzliche Angebot zum neuen Standard und rückt in den Hintergrund.

    Grund für die hedonistische Tretmühle

    So weit, so nervig. Manchmal hat man das Gefühl, Mutter Natur will uns auf den Arm nehmen. Aber aufgepasst: Unsere Glücksmomente haben nicht umsonst ein Ablaufdatum – evolutionär gibt es sehr gute Gründe für den Gewöhnungseffekt der hedonistischen Tretmühle!

    Denn würden die Glücksgefühle nicht irgendwann verebben, würdest du vermutlich nie etwas erreichen. Oder noch schlimmer – nie nach etwas streben! Stell dir einmal vor, du wärst heute über irgendein tolles Erlebnis in der Kindheit genauso glücklich wie in dem Moment des Ereignisses. Wo hättest du je die Disziplin und Motivation herbekommen, dich neuen Herausforderungen und Aufgaben zu stellen? Wahrscheinlich würdest du immer noch brabbelnd in der Ecke sitzen und dich über dein Holzpferd freuen.

    Die hedonistische Tretmühle ist also ein ausgeklügelter Motor für unsere Fortschritte und grundlegende Funktionstüchtigkeit.

    Die hedonistische Tretmühle stoppen

    Gerade Unternehmer sind sehr häufig in der hedonistischen Tretmühle gefangen. Schließlich wurde ein Elon Musk nicht so erfolgreich, indem er sich mit dem zufrieden gab, was er hatte. Immer höher hinaus – das ist doch das Mantra von echten Unternehmern!

    Doch egal, ob Sie Unternehmer sind oder nicht: Nicht immer ist es sinnvoll, ständig neuen Höhepunkten hinterherzujagen. Schließlich machen Sie Ihre Unternehmung, Ihren Job, Ihr Projekt usw. aus einem bestimmten Grund. Beispielsweise möchten Sie später mehr Freiheit im Leben für Reisen und Familie.

    Unsere Tipps

    Damit Sie sich nicht hilflos, sondern gezielt im Leben fortbewegen:

    Wertschätzung

    Der eigene Glückszustand kann aktiv gesteuert werden. Wertschätzung spielt dabei eine große Rolle:

    • Ruf dir vergangene Erfolge und Gewinne regelmäßig ins Gedächtnis und übe dich in Dankbarkeit. Ein Erfolgsjournal oder ein Dankbarkeitsjournal können dabei helfen! Schreibe jeden Tag 3 Erfolge oder Dinge auf, für die du dankbar bist. Dadurch lenkst du deine Aufmerksamkeit gezielt auf diese Erlebnisse und generierst mehr positive Emotionen. Cooler Effekt: Wenn du dich damit am Abend beschäftigst, beginnt der nächste Tag mit den Gedanken, die den letzten Tag abgeschlossen haben!

    • Versuch öfter mal, einen Schritt zurückzugehen. Überprüfe, ob du noch klare Ziele vor deiner hedonistischen Tretmühle erkennst. Arbeitest du auf diese langfristigen Ziele zu, oder drehst du dich auf der Suche nach dem nächsten Glücksmoment einfach nur wild im Hamsterrad?

    • Vermeide den Vergleich mit anderen. Das hörst du vermutlich nicht zum ersten Mal. Und ja, das hat schon immer Sinn gemacht und tut es immer noch.

    Abwechslung & Minimalismus

    Indem du die Häufigkeit stimulierender Erfahrungen herunterfährst, kannst du dich intensiver über diese Erlebnisse freuen! Geh nicht jeden Abend ins Restaurant, weil es bequem ist, deck dich nicht mit teuren Möbeln und Schnick-Schnack zu und trinke nicht jeden Abend den edelsten Tropfen Wein (letzteres natürlich aus mehreren Gründen). Je minimalistischer du vorgehst, desto weniger schleift sich die positive Emotion bei einer Erfahrung ab.

    Achtung: Hier geht es um den privaten Lebensstil und nicht um die berufliche Einstellung. Denn natürlich sollst du nicht pauschal weniger leisten, um dich stärker über die selteneren Erfolge freuen zu können.

    Tipps für eine bessere Kundenbindung

    Natürlich ist die hedonistische Tretmühle erst einmal ein bestärkender Faktor für unser Kaufverhalten. Wir kaufen immer mehr und immer öfter, um unseren Drang nach Glücksgefühlen zu befriedigen. Doch die hedonistische Tretmühle bzw. die hedonistische Adaption sorgt auch dafür, dass sich Kund:innen an Leistungen gewöhnen und, dass ihre Ansprüche steigen.

    Ein Beispiel: Du bist Reiseveranstalter und wirst von Familie S. gebucht. Für die Familie, die bisher nur Camping-Trips gemacht hat, sind deine Pauschalreisen der allergrößte Luxus. Weil es so toll war und sich die hedonistische Tretmühle weiterdreht, bucht Familie S. im darauffolgenden Jahr eine weitere Pauschalreise mit dir. Doch nach 5 aufeinanderfolgenden Reisen, bei denen Familie S. nichts an deinen Leistungen auszusetzen hat, heißt es plötzlich: Moment – geht es nicht noch besser? Können wir nicht noch einen draufsetzen?

    Ehe du dich verseiehst, hat Familie S. ein anderes Unternehmen gefunden, entweder weil es tatsächlich luxuriösere Reiseangebote hat oder weil allein schon die Veränderung zu mehr Aufmerksamkeit und dadurch zu mehr positiven Emotionen führt. In anderen Worten: Die hedonistische Tretmühle treibt deine Kund:innen weiter.

    Doch verzage nicht! Hier sind 3 Tipps, wie du deine Kundschaft trotz hedonistischer Tretmühle an dich binden kannst.

    Unsere Tipps

    Sei die Veränderung

    Entwickle weiter, werde innovativ und bleibe in Interaktion mit deinen Kund:innen. So kannst du bestehende Kritik an deinen Leistungen direkt umsetzen und neue tolle Zusatzleistungen bieten, um die hedonistische Adaption deiner Kund:innen zu verlangsamen.

    Triggere Wertschätzung für dein Angebot

    Erinnere deine Kund:innen daran, wie toll es ist, Teil deines Unternehmens zu sein! Das kann durch Newsletter passieren, in denen Erfolge, Kundschaftsrezensionen und Produktvergleiche aufgezeigt werden. Eine geniale Idee sind auch kleine Geschenke an Bestandskund:innen, die du einmal im Jahr versendest.

    Sei unvergleichlich

    Laut der hedonistischen Tretmühle streben wir alle nach der nächstbesseren Erfahrung im Vergleich zum jetzigen Standard. Der Trick, wie du nicht übertroffen werden kannst? Indem du unvergleichlich bist! Das ist natürlich einfacher gesagt als getan in einer Welt, wo es kaum noch einzigartige Produkte und Leistungen gibt. Doch der Trick ist die richtige Positionierung. Suche dir eine eigene, unvergleichliche und enge Nische und mache dich dort als Autorität breit. Der sicherste Weg, um der hedonistischen Tretmühle zu entkommen!

    Zusammenfassung

    Das psychologische Konzept der hedonistischen Tretmühle erklärt, warum Menschen trotz fortwährender Erfolge und Errungenschaften nicht dauerhaft zufrieden sind. Die hedonistische Adaption führt dazu, dass wir uns schnell an neue, positive Zustände gewöhnen und stets nach mehr streben.

    • Mechanismen: Die hedonistische Tretmühle wird durch Faktoren wie die menschliche Natur, Aufmerksamkeit und die Suche nach Neuem angetrieben. Wir gewöhnen uns schnell an positive Änderungen, während negative Ereignisse länger nachwirken.
    • Unternehmerische Herausforderungen: Für Unternehmen stellt die hedonistische Tretmühle eine Herausforderung dar, da Kund:innen sich ständig nach besseren und attraktiveren Angeboten sehnen, was die langfristige Bindung erschwert.
    • Tipps für Unternehmen: Um der hedonistischen Tretmühle zu entkommen und Kunden langfristig zu binden, sollten Unternehmen innovativ bleiben, Wertschätzung für ihr Angebot fördern und eine unvergleichliche Positionierung anstreben.