Die größten Herausforderungen im Online Marketing sind ziemlich offensichtlich: Wie erhöht man die Aufmerksamkeit seiner Zielgruppe, wie bleibt man angesichts des schieren Informationsübermaßes in Erinnerung und wie bringt man Nutzer dazu, an den digitalen Lippen einer Marke zu hängen?

Antworten auf diese Fragen bieten vor allem die Erkenntnisse aus dem Neuromarketing, der Verkaufspsychologie und der Verhaltensökonomie. Entsprechende Studien zeigen unter anderem, wie wir psychologische Effekte verwenden können, um unsere Angebote und Produkte hirngerecht zu vermarkten.

Um eines dieser psychologischen Phänomene, nämlich den Zeigarnik Effekt, geht es auch in diesem Beitrag. Beim Weiterlesen erfahren Sie, wie der Zeigarnik Effekt funktioniert und wie Sie mithilfe dieses Neuromarketing-Hacks die Aufmerksamkeit und Erinnerung Ihrer Zielkunden besser anregen können.

 

Grafik mit einer Schatztruhe voller Psycho-Effekte wie dem Zeigarnik Effekt

 

 

Der Zeigarnik Effekt kurz erklärt

 

Allgemein ist der Zeigarnik Effekt eines der psychologischen Phänomene, das bezeugt, wie extrem subjektiv unser menschliches Erinnerungsvermögen funktioniert.

Konkret besagt der Zeigarnik Effekt, dass wir uns unerledigte Aufgaben oder unfertige Handlungen besser merken können als abgeschlossene Aufgaben oder Handlungen.

Vermutlich kennen Sie den Effekt bereits sehr gut bzw. Sie sind sich diesem Aspekt unserer Psyche sehr bewusst. Wenn nicht:

 

Denken Sie an Filme und Serien!

Ganz ehrlich: Wie oft setzen wir uns mit dem festen Vorsatz vor Netflix, diesmal wirklich nur eine Folge unserer Lieblingsserie zu schauen? Und wie oft funktioniert das? Ich hoffe, ich bin nicht die Einzige, die ihren Vorsatz regelmäßig in den Wind schießt…

Und warum können wir es nicht bei der einen Folge belassen? Ganz einfach: Weil am Ende der Folge der Hauptdarsteller erschossen wird, der Liebesschwur endlich ausgesprochen wird oder die lang verloren geglaubte Tochter vor der Haustür steht.   

Kommt Ihnen die Sache jetzt bekannter vor? Denn tatsächlich handelt es sich beim Zeigarnik Effekt um ein psychologisches Phänomen, das wir unter einem anderen Namen häufiger mal im Alltag verfluchen. Richtig: der berühmt-berüchtigte Cliffhanger Effekt.

 

Was der Kellner noch weiß: Beweislage für den Zeigarnik Effekt

 

Der Zeigarnik Effekt begegnet uns also öfter mal im Alltag und wurde sehr wahrscheinlich auch schon von einigen Menschen vor der Zeit der Fernseher bemerkt. Dennoch war es die russische Psychologin Bljuma Zeigarnik, der wir die genauere Untersuchung und Benennung des Effekts vor ca. einem Jahrhundert zu verdanken haben.

Niemand würde dafür die Hand ins Feuer legen wollen, doch es kursiert folgende Geschichte zur Entdeckung des Zeigarnik Effekts:

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts reiste Bljuma Zeigarnik für einen Forschungsaufenthalt nach Berlin. Als sie mit ihrer Forschungsgruppe in einem Café saß, beobachtete sie, wie sich der Kellner unzählige Bestellungen mühelos merken konnte.

Zumindest, solange die Gäste noch auf Ihre Bestellungen warteten! Sobald die Gäste bedient waren, schien die Erinnerung an die Bestellung wie aus seinem Gedächtnis geblasen.

 

Grafik von einem Kellner beim Candle-light-dinner mit Bljuma Zeigarnik

 

Kurz darauf machte sich die Psychologin daran, den nach ihr benannten Zeigarnik Effekt wissenschaftlich zu belegen. Die entsprechenden Studien wurden 1927 veröffentlicht.

Dabei wurden 164 Probanden angewiesen, unterschiedlichste Bastelaufgaben zu erledigen. Beispielsweise sollten sie einfache Zeichnungen anfertigen, Figuren kneten etc.

Ein Teil der Probanden durfte die Aufgaben ungestört zu Ende führen, den anderen Teil unterbrach Zeigarnik bewusst. Am Ende wurde geprüft, wie gut sich die Versuchspersonen an ihre Aufgaben erinnern konnten. Das Ergebnis war erstaunlich:

An die unfertigen Aufgaben wurde sich bis zu 90% besser erinnert!

 

Es ist jedoch nicht nur die bessere Erinnerung, die den Aspekt der „Unvollständigkeit“ zu einem genialen Bestandteil von Marketing Maßnahmen macht, sondern auch die Tatsache, dass Menschen nur sehr schwer mit dieser Unvollständigkeit leben können. Wir alle verspüren den Drang nach klaren Abschlüssen. Dies besagt der Ovsiankina Effekt.

 

Ovsiankina Effekt

Der Ovsiankina Effekt besagt, dass die bessere Erinnerung Ergebnis eines „Quasi-Bedürfnis“ bzw. einer kognitiven Spannung ist, die sich durch unvollendete Handlungsstränge in uns aufbaut. Diese löst sich, sobald man die Aufgabe beendet hat und mental „abhaken“ kann.

Ich meine, ganz ehrlich: Wer bekommt nicht schon allein beim Wort „abhaken“ Glücksgefühle?

 

Grafik mit Häkchen und einer Person mit Herz im Kopf zur Darstellung des Quasi-Bedürfnisses

 

Dieser Drang, Angefangenes zu Ende zu bringen, ist zwar sehr eng mit dem Zeigarnik Effekt verwandt und wird daher auch nicht selten damit verwechselt. Entdeckt wurde der Ovsiankina Effekt aber in einer getrennten Studie – nämlich von Maria Ovsiankina.

 

 

Tipps fürs Marketing

So, wir haben jetzt eine ziemlich gute Wissensbasis zum Zeigarnik Effekt, seiner Wirkungsweise und seiner Entdeckung.

Im Online Marketing bzw. im Neuromarketing geht es aber natürlich nicht nur darum, dass man fundierte psychologische Phänomene kennt und realisiert, dass wir Menschen an einer verzerrten, subjektiven Wahrnehmung leiden.

Essenziell sind konkrete Maßnahmen, um diese psychologischen Effekte möglichst erfolgreich im Online Marketing umzusetzen.

 

Tipp 1: Durch Vorankündigungen zum Zeigarnik Effekt

Natürlich wünschen wir uns alle, dass Nutzer auf die Inhalte klicken, die wir mit viel Mühe erstellt haben. Und wenn wir den Content genial auf die Zielgruppe ausrichten und relevante Informationen bieten, werden wir auch mit entsprechenden Klickraten belohnt.

Aber warum nicht alle Register ziehen, um die besten Erfolge zu gewährleisten? In anderen Worten: Wenn Sie den Zeigarnik Effekt einsetzen, können Sie den Traffic auf Ihren Seiten noch um einiges erhöhen!

Kündigen Sie die Inhalte vorab an, beispielsweise durch Social Media Posts oder in Newslettern. Sie werden sehen, wie Nutzer den angeteaserten Inhalte kaum widerstehen können.

Warum? Weil derartige Ankündigungen dem Beginn einer Handlung gleichkommen. Und wie wir durch den Zeigarnik Effekt wissen: Eine angefangene Handlung führen wir auch gerne zu Ende.

Wie diese Ankündigung genau aussieht, ist Ihnen überlassen. Seien Sie aber möglichst klar, beispielsweise durch ein Wording wie:

„Nur noch 3 Tage, bis…“

 

Tipps 2: Der Zeigarnik Effekt in Ihrem Blog

Dieser Tipp schließt direkt an den ersten an und ist ziemlich einfach nachzuvollziehen – besonders, wenn Sie selbst hin und wieder zum Opfer vom Cliffhanger Effekt werden.

Spannen Sie Ihre Nutzer etwas auf die Folter, indem Sie Ihnen nicht alles vorkauen. Beispielsweise können Sie im Laufe Ihres Beitrages auf interessante Konzepte, Studien usw. aufmerksam machen, diese Informationen jedoch nicht komplett erklären und ausführen, sondern zu ausführlicheren Beiträgen verlinken.

Abgesehen von der Tatsache, dass interne Verlinkung allgemein ein wichtiger Aspekt von Suchmaschinenoptimierung ist, können Sie durch den so ausgelösten Zeigarnik Effekt die Performance von Beiträgen boosten, die sonst vielleicht nicht so gut funktionieren.

Ganz einfach, weil sich Leser denken: Ok, jetzt habe ich so halbfertige Informationen zu diesem Thema bekommen, dann will jetzt schon wenigstens einen Überblick davon bekommen, worum es geht.

 

Achtung:

 

1.

Die Tatsache, dass Sie wichtige Inhalte erst später auf der Seite platzieren, führt nicht zum Zeigarnik Effekt. Denn im Gegensatz zu Filmen und Serien scrollen Nutzer von Blogbeiträgen ganz einfach und ohne mit der Wimper zu zucken zu den Stellen, die sie interessieren. Auch bei meinen Blogbeiträgen weiß ich: Wenn Sie schon wissen, was der Zeigarnik Effekt ist und sich nicht für die Geschichte seiner Entdeckung interessieren, haben Sie wahrscheinlich direkt zu den Tipps gescrollt. Das nehme ich Ihnen nicht übel, aber Spannung hat sich bei Ihnen dadurch auch nicht aufgebaut. Es bringt also wenig, Informationen mit Absicht zurückhalten, nur damit Leute den ganzen Beitrag lesen.

2.

Vorankündigungen bringen wenig, wenn sie noch nicht veröffentlichte Blogbeiträge zu allgemein gültigen Informationen anteasern (wie meine Beiträge zu psychologischen Effekten für besseres Marketing). Denn klar, durch die Vorankündigung lösen Sie den Zeigarnik Effekt aus, aber Nutzer werden versuchen, ihren Drang nach einem Abschluss so schnell wie möglich zu befriedigen – und einfach nach der Information googeln, auch wenn Sie nicht von Ihnen stammt.

 

 

Tipp 3: Der Zeigarnik Effekt durch Fortschrittsbalken

Der letzte Tipp, um Ihre Nutzer mithilfe des Zeigarnik Effekts in Ihren Bann zu ziehen, bezieht sich auf ein fast schon magisches Design-Element, das die Interaktion bzw. Klickraten auf Ihrer Webseite extrem steigern kann:

Nutzen Sie den Fortschrittsbalken!

Mit Sicherheit haben Sie schon einmal bei einer Online Befragung mitgemacht oder ein Flugticket gebucht. Wie befriedigend ist es, wenn man sich oben in der leiste vom „Schritt 1“ bis zum „Schritt 5“ (oder was auch immer der letzte Schritt ist) vorgearbeitet hat und mit den Worten: „Sie haben es geschafft“ belohnt wird?

 

Also noch einmal: Egal wofür:

  • Das Ausfüllen eines Online Formulars zur Leadgenerierung (durch angeben der Kontaktdaten),
  • Eine Buchung,
  • Ein Quiz,
  • Weiterführende Beiträge (in Form von Kapiteln etc.), oder
  • andere ähnlich interaktive Elemente Ihrer Webseite.

 

Nutzen Sie den Fortschrittsbalken!

 

Schluss für heute!

Ich hoffe, der Beitrag hat Ihnen den Zeigarnik Effekt nicht nur verständlich vermittelt, sondern gezeigt, dass dieses Gedächtnisphänomen extrem einfach anwendbar und ein geniales Power-Tool fürs Online Marketing ist.

 

Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen: Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen? Wenden Sie den Zeigarnik Effekt bereits bewusst oder unbewusst in Ihrem Marketing an, oder haben Sie eine ganz andere Meinung dazu? Hinterlassen Sie einen Kommentar!

 

Auch über Fragen oder Anregungen zu weiteren Themen freue ich mich übrigens! 😊

 

 

Inspirationsquellen: 

https://www.kundengewinnung-im-internet.com/internetmarketing-tipps/

https://leap.de/magazin/conversion-rate-psychologie-tipps/

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ovsiankina-Effekt

https://karrierebibel.de/zeigarnik-effekt/

https://www.researchgate.net/publication/349483373_Unfinished_Business_-_Von_Freud_und_Leid_der_unerledigten_Dinge

 

 

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