Marketing hat so einiges mit Psychologie zu tun. Um wirklich erfolgreiches Marketing zu betreiben, sollte man sich etwas näher mit der menschlichen Psyche beschäftigen – das predigen Neuromarketer und Verhaltensökonomen schon seit Jahren.
Denn Studien zeigen immer wieder, wie irrational unser Verhalten, unsere Wahrnehmung und unsere Erinnerung sind. Wieso also sollte gerade unser Kaufverhalten nach den Regeln der Logik funktionieren?
Indem wir unterschiedlichste psychologische Effekte genauer unter die Lupe nehmen, können wir aber etwas Ordnung in das Chaos bringen. In anderen Worten: Wir können unsere Marketing-Maßnahmen perfekt auf Kunden anpassen und unsere Nutzer nachhaltig begeistern.
Im folgenden Beitrag geht es deshalb um die Affektheuristik – eine kognitive Verzerrung, die besonders deutlich zeigt, wie sehr wir uns bei Urteilen und (Kauf-)Entscheidungen von Emotionen und subjektiven Eindrücken leiten lassen.
Beim Weiterlesen erfahren Sie, was es mit der Affektheuristik auf sich hat und welche Schlüsse wir daraus für Ihr (Online) Marketing ziehen können.
Affektheuristik als Urteilsheuristik
Die Affektheuristik gehört zu einer Gruppe von kognitiven Verzerrungen, die in der Psychologie „Urteilsheuristiken“ genannt werden. Neben der Affektheuristik sollten Sie sich als Marketer oder Unternehmer auch die Ankerheuristik, die Availability Heuristic oder die Rekognitionsheuristik anschauen. Bei diesen Urteilsheuristiken handelt es sich um mentale Faustregeln bzw. kognitive Abkürzungen, um mit möglichst wenig Aufwand oder aufgrund unvollständiger Informationen schnell Urteile fällen oder Entscheidungen treffen zu können.
Sie merken vielleicht schon, warum Urteilsheuristiken wie die Affektheuristik ein extrem relevantes Konzept fürs Marketing sind. Denn worum geht es beim Marketing, wenn nicht darum, Nutzern die Entscheidung zum Kaufen zu erleichtern und schmackhaft zu machen?
Was ist die Affektheuristik?
Die Affektheuristik ist also ein eingebauter Shortcut unseres Hirns, um uns schnelle Urteile zu erleichtern. Wie funktioniert die Affektheuristik aber genau?
Von Affektheuristik wird in der Psychologie und im Neuromarketing gesprochen, wenn wir uns bei Urteilen oder Entscheidungen fragen:
„Was fühle ich dabei?“ statt „Was denke ich darüber?“
In anderen Worten: Bei der Affektheuristik überlassen wir unseren Emotionen bzw. unserem Bauchgefühl die Zügel, um möglichst schnell urteilen zu können – statt uns objektiv und analytisch mit einer Sachlage auseinanderzusetzen.
Achtung: kognitive Verzerrungen wie die Affektheuristik passieren unterbewusst! Häufig wissen wir also gar nicht, dass wir uns unsere Urteile und Reaktionen von unseren Emotionen diktieren lassen.
Bevor Sie also sagen: Sowas würde mir nicht passieren oder das habe ich noch nie erlebt, schauen wir uns für die Affektheuristik ein Beispiel an:
Affektheuristik-Beispiel aus dem Alltag
Diese alltägliche Small-Talk Situation haben Sie mit Sicherheit schon einmal erlebt oder beobachtet:
Sie sitzen mit Bekannten beim Mittagessen, es bleiben noch 10 Min bis zum Ende der Mittagspause, viele Gespräche laufen parallel, irgendjemand redet natürlich auch über das Weltgeschehen und die heutige Politik. Ihr Sitznachbar Jan wird beiläufig gefragt:
„Na Jan, findest du, das Politikerin X einen guten Job macht?“
Jan – der schon am Zusammenpacken seines Mittagessens war – reagiert mit: „Ach, geh mir weg mit der. Die nervt mich total ab, wie die da schon so komisch hinterm Podium steht.“
In dieser Situation ist es ziemlich offensichtlich, dass die Affektheuristik zugeschlagen hat. Denn:
Jan hat sich nicht gefragt, welche Maßnahmen Frau X in den letzten Jahren ergriffen hat und welchen Effekt die auf die Wirtschaft, Außenpolitik, Arbeitslosenrate etc. hatten.
Stattdessen zeigt seine Reaktion, dass er seine Gefühle hat sprechen lassen: Ihm ist Politikerin X wohl aus völlig subjektiven Gründen („wie sie da steht“) unsympathisch.
Um es der Affektheuristik zuliebe auf den Punkt zu bringen:
Jan hat sich unterbewusst gefragt:
„Was fühle ich dabei?“ statt „Was denke ich darüber?“
Evolutionäre Gründe für die Affektheuristik
Unser Oberstübchen hat natürlich einiges zu tun. Müsste es wirklich jede Situation im Detail analysieren, könnten wir auf keinen Fall so viel leisten oder entscheiden, wie wir es tagtäglich tun. Deshalb hat unser Gehirn im Laufe der Evolution viele Wege entdeckt, um „Shortcuts“ zu nehmen.
Und genau das ist auch die Affektheuristik: ein psychologischer Shortcut, um Situationen möglichst schnell und mit wenig kognitivem Aufwand einschätzen zu können.
Während wir heute alltägliche und nebensächliche Urteile mit diesen Shortcuts fällen, konnte es früher überlebenswichtig sein, schnelle Entscheidungen zu treffen – und Statistiken konnten wir damals auch noch nicht googeln!
Stellen Sie sich nur mal vor, Sie sind als Steinzeitmensch unterwegs und begegnen einem wilden Tier. Überlegen Sie erst einmal lange, welche Punkte für und gegen die Gefährlichkeit des Tiers sprechen und was Ihre Überlebenschancen sind…oder rennen Sie einfach weg, weil Ihr Bauchgefühl Ihnen das sagt? Richtig.
Ich glaube, der evolutionäre Sinn der Affektheuristik ist klar, oder?
Affektheuristik: 3 Tipp fürs Marketing
Wir wissen jetzt, was die Affektheuristik ist, dass sie wirklich – bei jedem und jeder von uns! – im Alltag zu beobachten ist, und was sich Mutter Natur bei der ganzen Sache gedacht hat. Jetzt aber mal Klartext: Welche Schlüsse kann man aus der Affektheuristik für erfolgreicheres Marketing ziehen? Hier 3 Tipps:
Tipp 1: Schnell gewinnt
Die Affektheuristik zeigt: Kunden haben wenig Lust, sich ewig mit irgendwelchen Argumenten auseinanderzusetzen. Wir wollen schnell Urteile fällen können. Und das geht über Emotionen.
Passen Sie Ihre Botschaften daran an! Warten Sie mit den genialsten Argumenten nicht bis zum Schluss. Die Affektheuristik besagt, dass Sie Ihre Kunden zu Beginn vom Hocker hauen sollten – und Sie dann zuschauen können, wie sich die Begeisterung auf darauffolgende, schwächere Argumente überträgt.
Im Umkehrschluss gilt: Starten Sie mit schwächeren Argumenten, die Kunden nicht überzeugen, schwappt dieses ungute Bauchgefühl auch zu den nächsten Argumenten über. Auch wenn diese rational gesehen vielleicht der Brüller sind!
Tipp 2: Einfach emotional
Laut dem ersten Tipp sollten Sie also mit den besten Argumenten anfangen. Und was gute Argumente ausmacht, sagt uns die Affektheuristik auch: Ihre USPs sollten einfach und emotional sein!
Beispiel: Statt in einem 100-Wörter Fließtext zu erklären, wie genau sich die niedrigen Preise Ihres Angebots zusammenstellen, sollten Sie zu Beginn Ihrer Webseite 3 Punkte mit kurzen und klaren Ansagen wie „unschlagbar preiswert raushauen“ – und die längeren, erklärenden Absätze für fleißige Leser später einbauen.
Tipp 3: Positives Wording
Nutze bildhafte Sprache und Bildsprache, um positive Emotionen noch stärker ansprechen und die Affektheuristik gezielt bzw. nach Ihren Regeln einzusetzen.
Was würde Sie eher dazu verleiten, eine Reise zu buchen:
„Grund zur Freude: Bezahl unschlagbar wenig für diesen Flug!“
Oder:
„Du stehst nächste Woche am Strand, hältst dein Gesicht in die wärmende Sonne am Mittelmeer und hörst das Kreischen der Möwen. Und das alles für weniger als zwei Tankladungen. Ob’s das wert ist? Keine Frage: Buche jetzt!“
Achtung: Gerade bei der Affektheuristik ist eine klare Zielgruppen-Definition von allergrößter Wichtigkeit. Denn: Während Jan beim Gedanken an Sommerurlaube mit der Familie ein wohliges Gefühl überkommt, lassen solche Bilder Karsten völlig kalt. Der bekommt aber beim Gedanken an einen brummenden Porsche Gänsehaut.
Schluss für heute!
Ich hoffe, der Beitrag hat Ihnen die Affektheuristik nicht nur verständlich vermittelt, sondern gezeigt, dass diese Urteilsheuristik ein geniales Power-Tool fürs Online Marketing ist.
Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen: Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen? Wenden Sie die Affektheuristik bereits bewusst oder unbewusst an, oder haben Sie eine ganz andere Meinung dazu? Hinterlassen Sie einen Kommentar!
Auch über Fragen oder Anregungen zu weiteren Themen freue ich mich übrigens! 😊
Inspirationsquellen:
https://strukturierte-analyse.de/mentale-abkuerzungen-biases-und-heuristiken/
https://www.lajkonik-content.de/verkaufspsychologie/affektheuristik/